Das Grauen hat einen Namen: Offenbach
(sm) Vermutlich hat sie nicht gewusst, was sie anrichtete, die
Schwimmerin Antje Buschulte, die am Abend des 5. Juli 2003 im
Aktuellen Sportstudio des ZDF die Plastikkugeln für die Partien der
ersten Runde des DFB-Pokals zog. Fast 20 Jahre lang waren wir davon
verschont geblieben, unsere edlen Adlerträger in das Elendsviertel an
unserem östlichen Stadtrand schicken zu müssen. Nur unsere Amateure
vor dem Derby: Anmerkungen zum Verhältnis Frankfurt / Offenbach
hatten in dieser Zeit hin und wieder ein Punktspiel in jener
Bruchbude auszutragen, welche die Einheimischen mit dem ihnen eigenen
Realitätssinn gerne als "Fußballtempel" bezeichnen und der sich dem
objektiven Betrachter doch nur als billige Bausünde präsentiert.
Wir hatten schon geglaubt (und mit einer gewissen Erleichterung
registriert), dass es nie wieder zu einem Pflichtspiel der ersten
Mannschaften dieser zwei so ungleichen Vereine kommen würde. Nun aber
bescherte die Pokalauslosung der Region ein Spiel, das - ja das
eigentlich niemand so richtig braucht.
Viele Menschen - in der Regel jene, die außerhalb Frankfurts geboren
und aufgewachsen sind - halten die Begegnung zwischen der Eintracht
und den Kickers für ein "normales" Derby, das seinen Reiz eben, wie
jedes Derby, aus der "besonderen Rivalität" der beiden Städte beziehe.
Das ist Unfug, wer so etwas behauptet, hat keine Ahnung von der
Geschichte unserer Region. Ähnlich unsinnig ist die immer wieder
auftauchende Behauptung, das Verhältnis zwischen Frankfurt und
Offenbach (bzw. Eintracht und Kickers) habe erst aufgrund von
Ereignissen in vergleichsweise jüngerer Zeit - z.B. Endspiel 1959 -
an Brisanz gewonnen. Auch solche Aussagen treiben einem echten
Frankfurter die Zornesröte ins Gesicht. Fgv nimmt daher das nun
anstehende "Derby" zum Anlass, ein für allemal mit derartigen
Missverständnissen aufzuräumen - und die ganze schreckliche Wahrheit
über das Elendsviertel zu enthüllen.
Eintracht gegen Kickers ist kein "normales" Derby. Bei allen anderen
bekannten und für brisant gehaltenen Derbies begegnen sich entweder
zwei Mannschaften aus derselben Stadt (Bayern vs. 1860; HSV vs. St.
Pauli) oder eben aus benachbarten Städten, die sich jedoch mehr oder
weniger "auf Augenhöhe" begegnen können (Dortmund/ Gelsenkirchen oder
Nürnberg/Fürth oder Köln/ Düsseldorf, wobei im letzteren Falle wegen
des Niedergangs der Fortuna sich die fußballerischen
Rivalitätsgefühle der Domstädter nunmehr nach Leverkusen verschoben
haben).
Frankfurt und Offenbach hingegen haben sich in weit über 1000 Jahren
noch nie, auch nicht annähernd, "auf Augenhöhe" gegenübergestanden.
Immer schon war Offenbach nur ein kleines, lästiges, hässliches und,
vor allem, total unbedeutendes Anhängsel, das sich hartnäckig an
unserem östlichen Stadtrand hielt. Beliebt wie eine Stechmücke, vom
Nutzwert eines Parasiten.
Es ist deshalb schon von der Terminologie her verfehlt, von einer
"historischen Rivalität" zwischen Frankfurt und Offenbach zu sprechen.
Frankfurt konnte und musste zu keiner Zeit und in keinerlei Hinsicht
jemals Offenbach als "Rivalen" ansehen. Ungleicher als Frankfurt und
sein hässliches Furunkel am östlichen Stadtrand können menschliche
Siedlungen nicht sein, seit sich der Homo sapiens vor Jahrtausenden
entschloss, das Nomadentum aufzugeben und sesshaft zu werden...
Die Gefühle, die seit jeher Frankfurter und Offenbacher füreinander
empfinden, sind daher gewiss nicht die einer wie auch immer gearteten
"Rivalität". Aber wie lässt sich am Zutreffendsten beschreiben, was
man diesseits und jenseits des Kaiserleikreisels voneinander hält?
Nun, wie bei so vielen anderen Fragen des Verhältnisses verschiedener
Völker zueinander, scheint auch hier ein Blick auf die Geschichte
lehrreich, wenn nicht gar unerlässlich. Es soll ja die Gegenwart
nicht verstehen können, wer sich nicht mit der Vergangenheit befasse,
heißt es schließlich.
Und die Beschäftigung mit der "Offenbacher Stadtgeschichte" ist
durchaus amüsant und aufschlussreich. Soweit sich überhaupt
Materialien hierzu finden lassen, denn auch die Geschichtsschreibung
gehört zu den Kulturtechniken, die in Offenbach nicht gerade auf
einen üppig fruchtbaren Boden treffen...
Das wenige aber, was zur "Offenbacher Stadtgeschichte" bekannt ist,
fügt sich rasch zu einem einheitlichen Bild: Offenbach kam immer zu
spät, Offenbach war immer völlig unbedeutend. Niemand hat sich je für
diesen weitgehend nutz- und wertlosen Flecken Erde interessiert,
keiner schenkte ihm je Beachtung. Das geht nun schon seit mehr als
eintausend Jahren so. Was immer man auch in Offenbach unternahm oder
unternehmen wollte - es ging schief. Das, und nur das, ist der rote
Faden, der sich durch Offenbachs Geschichte zieht.
Jede Stadt, die etwas auf sich hält, hat eine "Gründungsgeschichte" -
mehr oder weniger historisch belegt und im übrigen angereichert durch
Mythos, durch tradierte Volkserzählung. Romulus und Remus gründeten
Rom, und die Franken entdeckten auf der Heimkehr von einem Feldzug
gegen die Sachsen eine Furt über den Main und gründeten darauf hin
Frankfurt.
Wer aber wann und aus welchem Grund Offenbach gründete, ist
unbekannt. Man weiß es einfach nicht, und im Grunde interessiert's ja
auch keinen. 1977 "feierte" Offenbach sein 1000-jähriges Bestehen.
Und das nur, weil im Jahre 977 erstmals eine Urkunde die Existenz
einer Siedlung Offenbach erwähnt. In besagter Urkunde wurden übrigens
Teile des Dorfes verschenkt. Schon damals also war der Müll nichts wert.
Frankfurt war zu dieser Zeit schon lange eine "richtige" Stadt mit
Mauern und Gräben (838 errichtet), nachdem hier Karl der Große 794
einen Königshof erbauen ließ. Frankfurt beherbergte das kaiserliche
Kammergut und wurde (843) Hauptstadt des ostfränkischen Reichs. Von
dem in der Schenkungsurkunde 977 erstmals erwähnten Offenbach weiß
die Geschichtsschreibung hingegen bis zum Jahr 1372 überhaupt nichts
mehr zu berichten.
Offenbach an Frankfurt verpfändet
Auf ungeklärte Weise war dieses unbedeutende Nest in den Besitz derer
zu Falkenstein übergegangen. Philipp von Falkenstein lieh sich im
Jahre 1372 von der Stadt Frankfurt 1.000 Gulden und verpfändete dafür
Offenbach an den Rat der Stadt Frankfurt!
Das war damals gar kein so ungewöhnlicher Vorgang, und auf ähnliche
Weise sind bspw. Bornheim und Oberrad "eingemeindet" worden.
Glücklicherweise erkannten die damaligen Frankfurter Stadtväter
bereits, welch Ei man ihnen ins Nest zu legen versuchte. Die
Eingemeindung Offenbachs lehnte Frankfurt dankend ab - statt einer
"Verwertung" des Pfandes forderte man von Falkensteins lieber die
Rückzahlung des Darlehens: Philipp von Falkenstein musste zahlen und
blieb auf seinem Müllhaufen namens Offenbach sitzen.
Sein Sohn Graf Werner von Falkenstein, der wenig später dieses
nichtsnutzige Stück Land im Nachlass vorfand, errichtete "zur Rache"
eine Zollgrenze und versuchte, die nach Frankfurt zur Messe
anreisenden Händler und Kaufleute abzukassieren. Obendrein begann er,
in Offenbach eigene Münzen prägen zu lassen (und das, obwohl das Dorf
Offenbach zu dieser Zeit aus weniger als 100 Häusern bestand!).
Dieser neidvolle und Hasserfüllte Blick auf den übermächtigen,
glanzvollen und prosperierenden Nachbarn Frankfurt, der lächerliche
Versuch, es ihm gleichzutun - dieses Verhaltensmuster des Grafen
Werner von Falkenstein hat sich bis heute bewahrt.
Zum Beispiel beim "Anhang" der Offenbacher Kickers...
Anschließend (nach dem Tode des Werner von Falkenstein) ging
Offenbach in den Besitz des Grafen von Isenburg über. Die Isenburgs,
welche für die nun folgenden etwa drei Jahrhunderte das zweifelhafte
Vergnügen hatten, Offenbach ihr eigen nennen zu müssen, gehörten eher
in die Rubrik des damals schon verarmten Landadels. Offenbach blieb
so das ärmliche und unbedeutende Nest, das es seit jeher war.
Irgendetwas Nennenswertes weiß jedenfalls die seriöse
Geschichtsforschung aus Offenbach auch während des Mittelalters nicht
zu berichten. Wenn sich überhaupt mal ein Geschichtsbuch mit
Offenbach befasst, liest sich das so: "Offenbach ist eine
Provinzstadt, kein Zweifel. Und es ist nicht einmal eine jener
Provinzstädte, die vom Pathos vergangener höfischer
Repräsentationsbedürfnisse zehren können. Seine Fürsten waren es
gewohnt kleine Brötchen zu backen. Nie war es tonangebend, wie die
glänzenden Residenzen es sein konnten, wie es die Metropolen sind für
weites Land. Es konnte nicht Zentrum werden, weil es selber im
Vorfeld eines Zentrums wuchs, angelehnt und eingezwängt."
Offenbach wird österreichisch
Als Napoleon Kriege, Macht und Einfluss verlor, sollte die
europäische Landkarte 1815 in der sog. "Wiener Konferenz" der Mächte
Europas neu geordnet werden. Deutschland wird in eine große Zahl
souveräner Einzelstaaten aufgeteilt, Frankfurt behält den Status als
"Freie Stadt" und wird als solche sogar Hauptstadt des neu
gegründeten "Deutschen Bundes".
Und Offenbach? Keiner wollte Offenbach haben; und so wurde es dem
österreicherischen Kaiserreich (!) zugeschlagen...
Auch in Wien merkte man aber bald, was man sich da eingefangen hatte.
Nur etwa ein Jahr lang gehörte Offenbach zu Österreich, dann trat man
es 1816 "großzügig" an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt ab - dieses
war mit dem mächtigen Österreich verbündet und konnte deshalb das
üble Geschenk wohl nicht ablehnen. 1828 hatte man mal wieder die
Wahnidee, mit Frankfurt konkurrieren zu wollen. Offenbach schloss mit
Preußen ein Zollabkommen und erklärte sich zur Messestadt. Ein
kläglich gescheiterter Versuch: Auch Frankfurt trat dem preußischen
Zollverein bei, und schon 1836 ging die Offenbacher Messe wieder ein.
Wie gesagt: das Wenige, das man von der Offenbacher Geschichte weiß,
ist eine Geschichte voller Pleiten, Pech und Pannen.
Die preußische Neuordnung Hessens 1866 und die von Preußen
ausgehenden Gründung des Deutschen Reichs 1871 führten dann leider
dazu, dass erstmals in der Geschichte beider Städte keine Landes-
bzw. Fürstentumsgrenze mehr zwischen Offenbach und Frankfurt verlief.
Ein Zustand, der bedauerlicher Weise bis heute anhält...
Wer ist der "größte Sohn" Offenbachs?
Diese ewige Bedeutungslosigkeit, diese ständigen Niederlagen, das
Nicht-ernst-genommen-Werden - all das hat sich tief ins kollektive
Bewusstsein der Offenbacher eingeprägt. Auf keinem Gebiet
menschlichen Daseins - weder in Wissenschaft noch Kultur noch
Wirtschaft noch Politik - hat jemals ein Offenbacher irgendetwas
geleistet, das überregional auch nur Beachtung gefunden hätte. Wer
ist eigentlich "der größte Sohn Offenbachs"?
Was ist eine herausragende Leistung eines Offenbachers?
Auf welchem Gebiet hat ein Offenbacher jemals Großes oder wenigstens
Erwähnenswertes geleistet?
Fragen, zu denen es keine Antwort gibt. Diese Stadt hat nichts, aber
auch gar nichts - weder ein eigenes Theater noch eine eigene
Telefonvorwahl. In all den Jahrhunderten brachte Offenbach zustande:
- nichts, gar nichts, nur Ödnis und gähnende Leere.
Frankfurt hingegen - Kaiserresidenz, freie Reichsstadt, Ort der
Kaiserkrönungen, Stadt des Handels und der Messe, der Bildung, der
Künste - wuchs und gedieh. In Frankfurt entwickelte sich das freie
Bürgertum, hier prosperierten Wirtschaft und Geist, gründete man
Messe und Universität, wurde man DAS mitteleuropäische
Handelszentrum. In Frankfurt tagte (in der Paulskirche) das erste
deutsche Parlament, Frankfurt ist die Geburtsstadt Goethes, die
Heimat der Buchmesse und der Deutschen Bibliothek, hier entstand die
"Frankfurter Schule" um Adorno, Marcuse u.a., Rainer Werner Faßbinder
ist Frankfurter (und Eintrachtfan!) gewesen usw. usf. – Offenbach
hingegen ist intellektuell über das Niveau von Jimmy Hartwig und
Hermann Nuber nie hinausgekommen.
Wie lassen sich also nun die Gefühle beschreiben, die Frankfurter und
Offenbacher wechselseitig füreinander hegen? Mit "Rivalität" hat das,
wie einleitend schon erwähnt, nichts zu tun (einen Rivalen nimmt man
ernst - welcher Frankfurter hätte aber jemals schon einen Offenbacher
ernst genommen?). Vielmehr eher so: Die Offenbacher entwickeln Hass
und Neid auf uns, sie spüren ihre Unterlegenheit auf allen Gebieten.
Diese Ohnmachts- und Minderwertigkeitsgefühle werden durch pubertäre
Machtphantasien kompensiert.
Das bringt zuweilen skurrile Ergebnisse (man könnte auch sagen:
Totgeburten) hervor, wie bspw. die Münzen Werner von Falkensteins,
die "Offenbacher Messe" von 1828 oder den OFC Kickers von 1901...
Auch dass sich die Offenbacher "Stadtväter" wie trotzige Kinder
jahrzehntelang weigerten, dem FVV beizutreten (nur wegen des Namens
"Frankfurter Verkehrsverbund"), passt in dieses lächerliche Bild. So
wie die unbeholfenen Versuche der Offenbacher, sich ähnlich wie der
Rest der Menschheit mittels eines Automobils fortzubewegen (dass die
Beherrschung des Autofahrens die intellektuellen Fähigkeiten des
Durchschnittsoffenbachers weit überfordert, erkennen wir
leidgeplagten Frankfurter täglich auf unseren Straßen).
Wir Frankfurter empfinden die Offenbacher hingegen vor allem als
lästig. Die natürlichste Gefühlsregung wäre zwar Mitleid; dies wird
aber durch das penetrante Verhalten dieser Möchtegern-Städter
verhindert. Nachdem Offenbach in Jahrhunderten noch nicht einen
Beweis seiner Daseinsberechtigung geben konnte, wäre es unbestreitbar
das Sinnvollste, diese "Stadt" einfach aufzulösen und von der
Landkarte verschwinden zu lassen. Leider (wenn auch
verständlicherweise) ist aber niemand bereit, die Offenbacher
aufzunehmen, weswegen wir das Elendsviertel an unserem östlichen
Stadtrand wohl noch eine Weile hinnehmen müssen...
Notfalls nehmen wir es halt mit Humor. So wie im 19. Jahrhundert der
Frankfurter Heimatdichter (übrigens: hat es jemals einen Dichter
gegeben, der aus Offenbach stammte?) Friedrich Stoltze:
"Was is des Offebach for e Stadt!
Die hawe´s ganz in der Näh gehat
un hawe´s verbaßt von Aabeginn,
daß se net aach von Frankfort sin.".
Das Derby Eintracht - Kickers
Diesen kulturgeschichtlichen Hintergrund muss man kennen, um das
Verhältnis Eintracht/Kickers richtig einzuordnen. Beide - Eintracht
wie Kickers - sind in diesem Sinne seit jeher würdige Vertreter ihrer
Städte.
Die Eintracht war und ist immer wieder für glanzvolle Taten bekannt;
zwar fehlt es ihr an Beständigkeit, aber nicht an Höhepunkten
glanzvoller Spielkultur (Meisterschaft 1959/Europapokal 1960, die
Siebziger, der UEFA-Cup 1980, die frühen Neunziger...).
Die Kickers hingegen haben nie "Traumfußball" gespielt. Gewiss, es
gab durchaus hin und wieder einen mehr oder minder spektakulären
Erfolg, wie bspw. die Vizemeisterschaft 1959. Diese wurden aber
äußerst unspektakulär errungen, bieder kickten sich die Kickers
voran. Sie hatten nie einen Nationalspieler, kein Offenbacher hat
jemals glanzvoll Fußball gespielt. Ihr Idol ist - wie bezeichnend -
Hermann Nuber, ein Metzgermeister.
Mehr muss man nicht - und mehr kann man auch nicht – zu Offenbacher
"Fußballkunst" sagen.
In Ermangelung sonstiger Fähigkeiten versuchen sie (Horst Gregorio
Canellas in der Saison 70/71!), durch Bestechung und Bescheißen in
der Bundesliga zu bleiben; doch selbst mit diesen Mitteln klappt's
nicht...
Weswegen der beleidigte Südfrüchtehändler sodann den sog.
"Bundesligaskandal" aufdeckt - womit er zwar nicht seinen
Drecksverein rettet, es aber immerhin schafft, als erster (und
bislang letzter) Offenbacher jemals bundesweit Aufsehen erregt zu
haben...
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Sex, Trucks, Rock'n Roll